La Palma- ein Abenteuerreisebericht.
Ich muss den Bericht starten mit ein paar kleinen Begriffsdefinitionen. Palmen leben in ständiger Symbiose mit den jährlich wiederkehrenden Lieblingszielen der Deutschen. So ist es kein Wunder, dass sich fast jede Örtlichkeit in den spanischen Wonneregionen mit dem Attribut „Palme“ schmückt. Stellen Sie sich die Verwirrung vor: unser Airbus hatte zunächst einen Stopover in Las Palmas, um dann erst weiter nach La Palma durchzustarten. Die Ansagen der Flugbegleiterinnen waren diesbezüglich entsprechend betont genau: Las Palmasssss-la Palmaaaaaaa. Comprende? Und um noch einmal sicherzugehen, dass niemand enttäuscht an der falschen Destination um ein Hotelzimmer kämpft, war es auch noch einmal ratsam, sein Bordticket zu überprüfen. Wir wollten weder nach La Palma di Mallorca, noch eine Stippvisite in Las Palmas auf Gran Canaria einlegen- nein La Palma, die einzigartige, ruhige Insel und zugleich eine tickende Zeitbombe war unser Ziel! Noch einmal dagewesen sein, bevor alles zuerst in Schutt und Asche zerlegt und dann vermutlich jämmerlich ersäuft wird. Sagen Sie bloss, Sie haben noch nie davon gehört? Fragen Sie Meister Schätzing, der kann Ihnen ein paar Absätze davon aus seinen Weltuntergangsszenarien zitieren.
Dass Tsunamis keine Dreingabe zum Sushi sind, wissen wir alle seit den schrecklichen Ereignissen in Fernost. Viele Deutsche berichteten davon, den Flutwellen entkommen zu sein, da sie gerade „Der Schwarm“ von Schätzing gelesen haben. Es gab da ein Kapitel über die typischen Vorboten der herrannahenden Katastrophe und die Kenntnis darüber habe ihnen letztendlich das Leben gerettet. Die Folgen waren dennoch verheerend, weil eben nicht alle das Buch gelesen haben und auch sonst jedes Frühwarnsystem ins Leere gewarnt hatte.
Eines ist entscheidend: Die Folgen eines Bebens sind mittlerweile berechenbar, nur das Wann beruht auf sehr groben Schätzungen.
Zurück zum Reisebericht. Bei meinen nächtlichen Streifzügen durch das Internet auf der Suche nach unserem diesjährigen Reiseziel blieb ich auf einer Seite hängen, auf der eine der nächstfolgenden, voraussehbaren Katastrophen beschrieben wird. Ausgangspunkt sei nicht irgendein dunkler Spalt zwischen den Kontinentalplatten tausende Kilometer entfernt, sondern die sonst grüne und beschauliche Insel La Palma, weitab von jedem üblichen Touristenrummel. So rechnet man in Fachkreisen rechnet doch fest damit, dass sich die oberen Bild dargestellten sanften Weinhügel „demnächst“ vom Rest der Insel verabschieden und mit einem gewaltigen Wupps ins Meer ergießen werden.
Daraufhin wird auf einen Schlag so viel Wasser verdrängt, dass sich nach und nach ein Wellengebirge auftürmt, welches zunächst Westafrika und etwas später Südamerika und dann die Ostküste der USA mit voller Wucht erwischt. Ich fragte mich, ob allen meinen Mitreisenden diese Tatsache bewusst war, bevor wir mit dem tonnenschweren Flugzeug unsanft auf La Palma aufsetzten. Und so ging es mir in den ersten Tagen buchstäblich auf Schritt und Tritt durch den Kopf, dass jede stärkere Erschütterung auf dieser vulkannarbigen Insel vielleicht das jähe Ende der Freiheitsstatue oder der Wall Street in New York bedeuten könnte. Die Afrikaner oder die Brasilianer werden sich schon zu helfen wissen. Aber die Amis?
Wie konnten all diese Leute nur so unbekümmert auf den scharfkantigen Kraterspitzen herumtollen? Ein Schritt daneben und die Monsterlawine ist losgetrampelt! By the way: checken Sie nicht nur die lavaschwarzen Strände, sondern bewegen Sie sich mal ins Innenland- da gibt es noch richtige Urwälder zu sehen, die wir Europäer bestens vertragen, da sie frei von Raubkatzen und anderem gefährlichen Krabbel- und Schlängelgetier sind. Und wenn Sie auf Bananen stehen, ist das sowieso Ihre Insel, denn die gesamte Wirtschaft dreht sich dort erst um die Bananen und dann um uns Touris.
Trotzdem- dem Frieden ist nicht zu trauen. Überall entdeckten wir Observatorien, an einer anderen stark frequentierten Stelle konnte ich an einem Seismograph ablesen, welche Erschütterung ein erwachsener Mann wie ich hinterlässt, wenn er beispielsweise nur auf der Stelle hüpft. Echt makaber für einen Insider. Doch Kreti und Pleti fahren wahrscheinlich deswegen weiter dort hin, weil es da so schön warm ist, während wir alles in einer Woche mitgenommen haben und das schnell und meistens auf weichen, bloßen Fußsohlen. Wer weiss schon, was „demnächst“ ist? Und ich möchte nicht schuld gewesen sein am nächsten Tsunami.
In diesem Sinne: viel Spaß auf La Palma- aber bitte leise sein.