Jesenwang am 3. Oktober. Ein sonniger Herbstag in Oberbayern, wie im Bilderbuch möchte man sagen! Ex-Kanzler Schröder wollte diesen Tag abschaffen, kaum zu glauben, bei dem Wetter und dieser Stimmung! Die Luft ist stark Kerosin-haltig: wir befinden uns auf dem Gelände des Jesenwanger Flughafens, einem Privatpiloten Eldorado! Asphaltierte Start- und Landebahn, Tower mit Hangar und Restaurant – nicht irgendeine Stoppelwiese und ein paar Bruchpiloten in ihren fliegenden Kisten. Hier in Jesenwang meint „Mann“ es ernst: mit dem Fliegen und mit all´ dem, was Männern sonst noch so Freude macht und nach Freiheit riecht.
Was auch immer die Freunde der Fliegerei bewogen haben mag, diesen „Tag der Deutschen Einheit“ mit Fahrzeugen aller Art zu feiern: sie haben ihre Sache bereits seit 9 Jahren gut gemacht und tausende haben dieses Bemühen nicht nur anerkannt, sondern auch dies Jahr wieder ihre jeweiligen Schmuckstücke mitgebracht! Hunderte von Fahrzeugen waren über mehrere Wiesen verteilt, die Veranstalter unterschieden Automobile, Traktoren und Zweiräder. Bemerkenswerte Exoten waren da zu sehen und allesamt in bestem Zustand – eine Augenweide für Amateure und Profis. Der Sattlerbetrieb mit seinem VW Bus in typischen Mittelstandsblau, der Schreiner mit seinem Pickup Chevy 3100 fehlte nicht und auch experimentelle Fahrzeuge waren zu sehen (wie der schnittige FEND aus dem Hause Messerschmidt, der bereits 1984 bewies, daß es mit 190 km/h möglich ist auf drei Rädern sicher voran zu kommen und dabei nur 3 l Sprit auf 100 Kilometer zu verbrauchen!
So gesehen zunächst einmal ein weiteres Oldtimer Event á la „Maxlrain“, „Mühldorf“ oder „Fürstenfeldbruck“. Was Jesenwang natürlich über die Maßen attraktiv macht, ist die Komponente der Fliegerei: Das Flugfeld selbst ist schon nicht klein und gegenüber dem Tower parken eine ganze Reihe von Sportflugzeugen unter freiem Himmel – freilich allesamt gut gegen Wind und Wetter geschützt. Dahinter befindet sich ein weiterer Hangar (der dem gemeinen Besucher nicht einsehbar war!) und in der Halle, die auf der Towerseite des Flugfeldes gelegen ist, hingen die fliegenden Vögel vor lauter Platznot an der Decke: selbstredend sicher angegurtet!
Für das leibliche Wohl war natürlich ausreichend gesorgt und so konnte man sich den lieben, langen Tag den Ereignissen widmen, die dort geboten waren! Immer wieder starteten legendäre Doppeldecker knatternd Richtung Sonne und kamen halbwegs sicher wieder zurück (wenn man von einem Ausrutscher einmal absieht, der mit qualmenden Reifen die Landebahn mehr als ausnutzte und erst in der Wiese am Ende der Rollbahn zum Stehen kam…).
Das Highlight aber war sicherlich die Ansprache des gehörgeschädigten Geistlichen, der römisch katholische Worthülsen auf seine Schäfchen herniederrieseln ließ, um dann beherzt und Kraft zweier Hörgeräte und einem Meßner (der für genügend Weihwasser im Kessel sorgte!) den Concours d´Elegance segnete: am Rande des Rollfeldes stehend und mit einem klobürstenartigen Hilfsmittel in Händen bewaffnet segnete der gute Hirte dann alles, was rollend, knatternd, scheppernd und schnaufend am ihm und seinen Helfershelfern vorbei defilierte!
So sahen wir mit an, wie die Zeit vergeht: die Kiebitz und die Fokke Wulff, die Piper und die Cessna, der Cadillac Eldorado Fleetwood und der VW Käfer, der Hot Rod und der Lanz Traktor, die Maico, Indian und die Zündapp, kurz: alles, was rollen konnte, kam vorbei, um von Gottes Gnaden ein paar Spritzer Weihwasser zu erhaschen! Es hatte etwas Rührendes an sich und für einen Moment schien die Zeit auch stehen zu bleiben, an diesem geschichtsträchtigen Oktober-Nachmittag. Denn immerhin: vor vierzig Jahren kam der RO 80 auf die Straße und „Che“ wurde erschossen; vor dreißig Jahren war „Deutschland im Herbst“ und vor zwanzig Jahren fand man Uwe Barschel tot in der Badewanne – „Hurra, wir leben noch!“ möchte man da rufen und sich ein kühles, oberbayerisches Bier einschenken! Mögen also auch fürderhin all´ die Männer gesegnet sein, die in die Luft gehen!