Auf der Suche nach dem Goldenen Eiszapfen
Am Kältepol Deutschlands
Minus 15 Grad erscheinen auf den den ersten Blick im Zeitalter der Gefrierschränke nicht sehr kalt. Die immerfeuchte und nachtschwarze Umgebung hier lässt die Umgebungstemperatur jedoch gefühlt zum absoluten Nullpunkt erstarren.
Wir haben die Ehre, Dr. Ewald Rasmussen von der Universität Helsinki auf einer seiner Forschungs-Exkursionen zu den kältesten Punkten der Erde für eine Nacht zu begleiten. Rasmussen als einer der gefragtesten, international anerkannten Glaziologen ist dem Phänomen Eis seit Anbeginn der Aufzeichungen auf der Spur. Selbstverständlich ist sein Institut aktuell mehr mit den Folgen der globalen Erderwärmung beschäftigt denn je. Orte, an denen das sogenannte Reineis noch in seiner natürlichen Umgebung zu bewundern ist, werden auch für sein Team immer schwerer zugänglich. Umso mehr verwundert es, in Deutschland, quasi am olympischen Ortsrand von Garmisch-Partenkirchen gelegen, eine dieser äußerst seltenen, feenhaft anmutenden Stellen als Spalte im Bergrücken antreffen zu können. Spätestens am Zugang der Partnachklamm entschließt sich auch unser Kameramann Jurj, die Michelin-Männchen-Jacke aus sibirischen Gänsefedern überzuziehen. Ein eisiger Hauch wirft sich uns aus dem dunklen Abgrund entgegen.
In einer Hand eine Petroleumfackel, in der anderen ein wasserfestes Notebook mit GPS Empfänger, lotst uns Rasmussen auf einem schmalen Pfad entlang der unter uns tosenden Partnach immer tiefer in das Dunkel. Nach einem endlos erscheinenden Fußmarsch waren wir glücklich über die Steigeisen, die wir vor Beginn der Exkursion vom Forschungsleiter ausgehändigt bekommen hatten und erste Eisformationen leckten uns nun aus Höhlennischen entgegen. „We call it Snot-Ice“ brüllte mir Rasmussen im finnischen Dialekt mit Emphasis auf das „S“ entgegen. Rotz-Eis- nun wenn man sich beruflich tagein, tagaus zwangsläufig auch mit dem Thema Kälte beschäftigen muss, ist der Ausdruck wohl naheliegend.
Rasmussen erklärt mir weiter, dass er auf der Suche nach der Stelle in der Klamm ist, in der die hoch aufragenden Felswände etwas weiter auseinanderklafften und deutete mit seinem Fäustling präzise auf das blau vor ihm leuchtende LCD Display. Die konstant herabströmenden Wasserbäche seien das Ziel seiner Begierde. Reineis in seiner perfekten Form könne nur klarem Felswasser entstehen. Fällt dieses Quellwasser zudem aus großer Höhe, so erhöhe sich auch sein Sauerstoffgehalt und bei entsprechend tiefen Umgebungstemperaturen entstünde bei konstant idealen Bedingungen, das, was Glazio-Morphologen „Golden Icycles“ nennen- Goldene Eiszapfen. Das Notebook piept nach weiteren 10 Minuten und wir lassen sehr zur Freude unseres Aufnahmeteams das Licht unserer elektrischen Taschenlampen kreisen. Der Anblick ist überwältigend und lässt uns bekannte Tropfsteinhöhlen alt und muffig aussehen. Tonnen puren Reineises wuchsen uns förmlich aus dem Nichts wie gefrorenene Dinosaurier entgegen. In einem Anfall aus blanker Euphorie wirft Rasmussen seine Fackel auf das dunkle andere Flußufer und abermals tausende von reinweißen, eisigen Messern flackerten im sterbenden Licht des Feuers auf…
Sehen Sie hierzu das Michel-Video, jetzt auch in HD auf YouTube abrufbar:
((( Hier fehlt ein Video )))
Wollen auch Sie einmal auf den Spuren der Eisforscher an die Grenzen Ihrer Belastbarkeit gehen? Wir haben beim Zurückgehen (der gesamte Fußmarsch dauert im Übrigen in Echtzeit ganze 45 Minuten hin und zurück) auch einmal spaßeshalber Rollen als Neanderthaler eingenommen. Das Fackellicht in der Klamm beflügelt die eigene Phantasie ungemein! Ein echter Ausflugstipp, solange es noch kalt ist- die Partnachklamm, Zufahrt über den Parkplatz Olympiastadion Garmisch. Offiziell bis Sonnenuntergang geöffnet, inoffiziell ist ein abendlicher Gang aber mit festem Schuhwerk und ordentlichen Fackeln, die man im Ort kaufen sollte (bloß keine Partyfackeln) der Geheimtipp! Unbedingt ausprobieren, eine *** -Empfehlung der Redaktion.