Wenn Legenden nach München kommen, dann sollte der Michel nicht fehlen. Seltsam nur, dass man ausser im „in-münchen“ Magazin kaum hat Notiz nehmen können – jedenfalls nicht im Vorfeld. So kam es, dass der Michel recht kurzfristig seine Planung über den Haufen werfen musste, um einer Legende zu huldigen: 10cc later known as Godley and Creme.
Einen Tag vorher war es unmöglich weder über München Ticket noch den Betreiber der Muffathalle ans Telefon zu bekommen, entweder Warteschleifen oder Bandansagen, Russland lässt grüßen. Tags drauf, bei München Ticket, erfuhr man dann, dass man vielleicht zwei Stunden früher vor Ort sein solle, damit man den Veranstalter nicht völlig gestresst antrifft, um die Situation zu erklären: von wegen kurzfristig und daher fehlende Akkreditierung und so.
Zwei Stunden vor Beginn war der Veranstalter zwar anwesend, glänzte jedoch mit abweisender Arroganz und Unfreundlichkeiten, der man nur mit einem „Good Morning Vietnam“ Zitat beikommen konnte á la „Ich kenne niemanden, der es nötiger hätte, einen geblasen zu bekommen!“. Eine Stunde vor Beginn war der Vorverkauf immer noch nicht eröffnet und ein Thomas fummelte hilflos am PC herum, weil das Programm für die Hallenbestuhlung wohl nicht so wollte wie er. Ein Ehrengast, der auf der Gästeliste stand, reagierte entsprechend. Weitere Besucher hatten ebenso ihre liebe Not mit dem Mitarbeiter der Muffathalle. Anyway, man bezahlt seine 45,50 für die Karte und hofft auf einen gelungen Abend.
Die Halle, kultig an der Isar gelegen, eröffnet sich dem Besucher in schlichtem Schwarz, das auch das Personal trägt, das einem mürrisch die Karten zerreißt. Freundlichkeit muss so direkt an der Isar körperlich weh tun. Wir suchten unsere Plätze in der bestuhlten Halle. In einem Rock Konzert Hallen zu bestuhlen, muss entweder einem völlig bornierten Veranstalter eingefallen sein, oder noch bornierteren Politikern, die nach EU Norm Bestuhlung vorschreiben. Für knappe hundert Mark pro Karte also auch die Spaßbremse mit gekauft!
Doch dann dimmte man das Licht herunter, ein alter „Godley & Creme“-Song wurde eingespielt und die Herren von 10 cc betraten die Bühne, grauhaarig und agil, der Schalk blitzte förmlich in ihren Augen. Der weltweiten Gesamtsituation geschuldet, begannen sie ihren fast zweistündigen München-Auftritt mit „Wall Street Shuffle“ , einem Song aus dem Jahre 1974, „Things we do for love“ (´76) folgte und nach „Mandy“ (´75) wussten die Zuschauer, dass der Beleuchter sehr, sehr jung sein musste, denn die Lichtorgeln dem Publikum ganz direkt ins Gesicht zu programmieren, kann nicht wirklich die Absicht gewesen sein. Aber das Schöne am Alter ist ja die Güte und das Verständnis!
Davon brauchten auch die Rentner von 10cc eine gehörige Portion: die einstigen Chartbreaker („I´m not in love“ oder „Donna“) spielten mit so viel Enthusiasmus, als wäre es ihr Debut in Europa! Griffig, riffig, frech und unpretentiös – beneidenswert agil in ihrem Alter! Eine Band, die mit so viel Intelligenz arrangiert und komponiert kann man nur beklatschen und hoffen, dass sich daran die Jugend ein Beispiel nehmen wird. Die Hoffnung stirbt zuletzt, denn die Jugend heute ist weder in der Lage noch intelligent genug, derart pfiffige Texte und so ausgebuffte Arrangements hinzulegen, wie es Rick Fenn, Graham Gouldman, Lol Creme und Eric Stewart zuwege gebracht haben.
Überraschend, dass „Under my umbrella“ (The Hollies) und „No milk today“ (Herman´s Hermits) eigentlich aus der Feder von Eric Stewart stammen, Songs, die Stewart vor seiner Zeit mit 10cc im Auftrag komponierte. Als Fenn und Stewart die akustischen Gitarren umschnallten kam etwas von der alten Hippie- und Lagerfeuer Romantik der 70er wieder zum Vorschein. Ja, wir sind alle älter geworden und erinnern uns in den Songs der Großen an unsere kleinen Fluchten von Damals – eine fast traurige Sentimentalität…
Traurig auch, dass die Muffathalle kaum ausverkauft war, bei so einem Auftritt – aber Bob Dylan ging es vor zwei Jahren im Zenith nicht anders (und das wird sich am 4. April wohl auch wieder ereignen). Traurig, dass das Durchschnittsalter der Besucher um die Fünfzig war. Traurig, dass echte Stimmung – zumindest ein Anflug davon – erst nach der ersten Zugabe (der einzigen!!!) aufkam und die Menschen von den Stühlen riss.
Freilich: man kann kritisieren, dass die Jungs nach wie vor ihre alten Gassenhauer von damals nahezu Plattenkonform performen – aber kann denn Genauigkeit Sünde sein? Oft hatte man das Gefühl, dass hier Philharmoniker am Werke sind, die perfekt aufspielen! Aber will man das nicht auch? Will man nicht die ungebrochene Wucht sehen, mit der man selbst, Testosteron gesteuert, aufgewachsen ist und die Bands wie 10cc vertonten? Mit „life is a minestrone“ haben 10cc einmal mehr gezeigt, dass sie eigentlich insgeheim einer Dada Formation angehören, die ihres gleichen sucht: beispiellos mischen sie Rythmen und Beats, flippen auf den Fender Stratocaster Gitarren aus und finden wieder zueinander, jammen in Old Style Formation auf der Bühne und kommen ganz lässig und pünktlich zum Ende des Songs, als wäre nichts passiert. Doch,Halt, Stop: etwas ist passiert: 10cc hat München einmal mehr gezeigt, wie provinziell, kleinkariert und banal sie ist: die Weltstadt ohne Herz und Verstand.