Zu Beginn von „Kommunikation part one“ reiste ich gedanklich in das Jahr 1975 zurück. Ein Jahr später wurde mir das Vorrücken in die nächste Klassenstufe verwehrt, was aus den unterschiedlichsten Gründen einen Schulwechsel für mich nötig machte. Im neuen „Oskar-von-Miller-Gymnasium“ lernte ich meinen Freund Andy kennen. Wenig später – nach der Bundeswehr – ist er nach Californien ausgewandert und somit seit Jahrzehnten „mein amerikanischer Freund“.
Als Andy ausgewandert ist, war natürlich die Frage nach der Kommunikation – es blieb: der gute, alte Brief – denn (kaum vorstellbar heute!) es gab nur das alte, hellgraue Einheitstelefon der Deutschen Bundespost oder eben den Brief. Wir schrieben uns also handschriftlich und für mich war es fortan immer etwas besonders, einen „air mail“-Umschlag in Händen zu halten – das konnte nur ein Brief von Andy sein!
Als damals dann das Faxgerät erfunden wurde und in Mode kam, war die Idee unserer Kommunikation naheliegend: jeder kauft sich ein Fax und die lästigen Wartezeiten zwischen Frage- und Antwortbrief werden um ein vielfaches verkürzt! Genial! Ich leaste damals dann ein Faxgerät der Marke Panasonic (mit zwei Kassetten: einer Ansage- und einer Aufzeichnungskassette!) zu einem Kaufpreis von 1.600,– D-Mark! Heute eine Lachnummer…
Andy arbeitete damals an der Universität, wechselte dann in eine Firma und hatte immer ein Faxgerät um sich – und ich war nie säumig, was meine astronomischen Leasingraten anging. Schon damals machte unsere herzliche Freundschaft keine Anstalten von dieser sagenhaften, neuen Technologie Gebrauch zu machen. Wir schrieben uns nach wie vor, die Inhalte waren nicht so ausgesprochen tagesaktueller Natur – und das war auch gut so.
Nichtsdestotrotz nahmen wir beide natürlich die technischen Neuerungen wahr und hatten unsere jeweilige Meinung dazu: aus beruflichen Gründen war Andy etwas progressiver unterwegs und befürwortete das internet und eMail – ich fand mich konservativer denkend und ließ dieser innovativen Technik für den Einzug in meine Räumlichkeiten noch etwas Zeit.
Im Nachgang quasi wurde ja das Telefonnetz liberalisiert und das „cell phone“ kam auch in Deutschland an: eine weitere Revolution, der ich mich zunächst versperrte. Der geneigte Leser wird auch mitgezählt haben: die beiden transatlantischen Freunde haben nun mittlerweile das Telefon, das „cell phone“, den herkömmlichen Brief, das Fax und das eMail als Kommunikationsmittel zur Verfügung. Was machen sie mit der Vielfalt?
Nichts. Sie sind im Alltag überfordert, greifen sonntags ab und an zum Telefon und zum Briefe schreiben ist die Hand zu schlapp. Generell. Man tippt ja den ganzen Tag irgendeinen Unsinn an irgendjemanden – zumindest bleibt gute, alte Männerfreundschaft davon zumeist unbehelligt. Kürzlich erhielt ich dann ein eMail von Andy, kommentarlos, das ein Video zeigte: ein Mann wird bei den Coastguards neu eingestellt und erhält einen Notruf – den er nicht versteht, weil er kaum Englisch spricht: er ist Asylant in Amerika. Aber der Werbespot war natürlich von der Berlitz School…
Mein amerikanischer Freund wollte mir damit keinesfalls mitteilen, daß ich auf die Berliz School gehen solle; die Botschaft „zwischen den Zeilen“ war ganz einfach „Hey, ich hab an Dich gedacht!“ Eine liebenswerte – wenngleich elektronische – Geste! Als Deutscher, der ich immer noch bin (leider!), habe ich mich dann auch gleich bemüßigt gefühlt, ihn (zugegeben „sehr deutsch!“) dafür zu rügen – von wegen „etwas mehr persönlichen Text hätte ich mir dann schon gewünscht…“ oder so.
Was ich mit dieser kleinen, persönlichen Exkursion eigentlich sagen will? Wir Menschen können nun mit Gott ( – hebt der ab, wenn man ihn anruft?) und der Welt telefonieren, faxen, eMailen, schreiben oder auf dem „handy“ anrufen, nur: haben wir uns seit den letzten dreißig Jahren mehr zu sagen? Kaum! Die Dinge, die uns Menschen bewegen, haben sich auch nicht verfünffacht – wohl aber die Kommunikationsmittel. Sind wir Menschen deswegen „besser“ geworden, gehen wir „besser!“ miteinander um? Leider ist wohl eher das Gegenteil der Fall: wir sind eine wilde Horde gedankenloser Zweibeiner geworden, ohne Maß und Ziel und dabei – um mit Pink Floyd zu sprechen – „comfortably numb!“.
Was meine „amerikanische Freundschaft“ angeht: toll, daß die Telefongebühren im Zuge des Fortschritt gesunken sind! Ja, wir telefonieren öfter als früher. Aber nichts geht über einen guten, alten „air mail“-Umschlag!
A good word of a true friend, written down with ink!